Frühjahrstour Mai-Juni 2008
1. Tag - Aufi !
Aufbruch vor dem Frühstück. Meine Frau freute sich wie üblich mit mir. Micky, der Hund sah meine Reisevorbereitungen eher mit Bestürzung. Nachdem ich ausnahmsweise mal nichts vergessen hatte einzupacken, ausser vielleicht dem Ladegerät für den Fotoakku, flog die Reisetasche einfach in den Seitenwagen und ich auf und davon. Sogar etwas Öl zum Nachkippen hatte ich mit und mich auch bemüht, etwas Werkzeug einzupacken, denn so ein Gespannn ist geräumig und meist schon älteren Baujahres, so auch meins. Ich hatte aber die Lust verloren, als der erste Musterbeutel voll war und so waren nur ein paar 10er, ein paar 13er Schlüssel, eine Zange und zwei Schraubenzieher in den Genuss einer kostenlosen Dienstfahrt gelangt. Weitere Reisebegleiter hingegen nicht. Doch ja, ein Buch: "Feuersteins Reisen" für die einsamen Abende am Lagerfeuer.
Urlaub von Anfang an. 4km vor der Stadt beginnt die Grenze. Die Grenze zwischen Rhein-Main Hochleistungsgesellschaft und Voralpenargrarwirtschaft, zwischen Hessen und Bayern. Naja, eigentlich Franken. Und gerade diese Zwittergesellschaft "Mainfranken", von Franken nicht als Franken, von Bayern nicht als Bayern akzeptiert, ist eine der wohlhabensten im Lande, profitiert sie doch vom Rhein-Main Standort und der bayrischen Steuergesetzgebung. Deshalb sind dort auch alle so nett.
In Alzenau über die Grenze, Mömbris, Schöllkrippen. Nix vonwegen Autobahn oder Bundesstrasse, tatsächlich erhebt sich eine Serpentine über dem Kahlgrund, von den Leuten dort aus Tourismusgründen schon als Spessart bezeichnet. Gern von Motorradfahrern genutzt, hoch zum selbigen. Seit vielleicht 10Jahren ist sie richtig flott ausgebaut, ich bin sie aber schon gefahren, als man talwärts noch von zu Fahrrad trainierenden Freizeitidioten überholt wurde.

Oben auf der Höhe findet sich die Wirtschaft "Zum Engländer", der seinen Namen nicht von Motorradmechanikern oder Besatzern hat.

Dann weiter durch das erste Spessarttal zur B26, dem Ventil zwischen Mainfranken und ihrer Landeshauptstadt am anderen Ende der Welt.
Hab mir nie Gedanken gemacht, wie die Region ausserhalb des Spessart heisst, für mich war es immer nur Bestandteil der grossen Runde. Fränkische Schweiz wäre dann doch etwas übertrieben.
Schweinfurt passiert man neuerdings am besten auf der Stadtautobahn, seitdem keine Straße mehr durch das Fichtel & Sachs Werksgelände führt. War mir auch ganz recht, denn ich hatte ein Ziel, den Weg nach Coburg. Anfangs ganz schön, aber zunehmend dichter LKW Verkehr, das hatte ich bei meiner Routenplanung für den Donnerstag übersehen. Also nix Route, abgebogen Rtg. Korbstadt Lichtenfels, an die ich gute Erinnerung aus früherer Zeit hatte. Insgesamt schon eine Stunde ausserhalb meines Zeitplans begab ich mich an den "Weissen Main", wo ich die Füsse ins Wasser hielt und ein paar Enten aufforderte, das Mittagbrot mit mir zu teilen. Sie liessen sich nicht lange bitten und bedankten sich artig schnatternd nach vollzogenem Dienst.

Beim Aufsitzen bemerkte ich, dass der linke hintere Blinker abgefallen war, er hing noch an den Kabeln. Ich hatte ja meine 10er Schlüssel, Wenn´s weiter nichts ist! Es war nichts weiter, auf der ganzen Reise nicht.
Weiter über Burgkunstadt, Kulmbach (Gottschalkgrad) Richtung Fränkische Saale, Ziel Hof, Plauen. Vogtland, Motorradparadies. Leider war das nicht so einfach, die fränkische Schweiz wurde alpiner und die LKWs langsamer und zahlreicher. Als ich mich selbst im Helm rumblöken hörte, rief gleichzeitig meine innere Stimme: "das ist doch kein Urlaub, mach dass du hier wegkommst und schlag dich in die Wälder!" Gesagt getan. Nachdem ich mich eine halbe Stunde an Fichtennadelgekurke ergötzt hatte, wurde es Zeit sich zu orientieren.
Es war 3Uhr nachmittags, ich hatte soeben den Frankenwald durchstreift und sollte allmählich die nächst grössere Stadt mit Weltanbindung aufsuchen, um heute doch noch einen Blick ins Vogtland werfen zu können.
Bad Berneck im Fichtelgebirge, gar nicht so schlecht. Weltanbindung ja, aber nicht unbedingt verkehrsgünstig für den EU LKW-Verkehr. Schönes Städtchen, schönes Wetter, keine Lust in ein Rentnercafe einzukehren, denn ein Gespannfahrer muss Gespann fahren. Zielsicher nordwärts, Hof und Plauen schon geistig aussen vor gelassen nahm ich Adorf ins Visier, bekannt aus Mathematikbüchern und benannt nach dem grossen Mimen, bevor er in den Alpen an der Via Mala der Trunksucht zum Opfer fiel. (Wenn schon Gottschalk dann auch Mario...)
Etwas bedauernd, nicht den Kaffee in Bad Berneck probiert zu haben, hielt ich am Rand des Fichtelgebirges, um den Blick über selbiges (bis Selb reichte er leider nicht ganz) und das bayrische Vogtland schweifen zu lassen, bevor ich mich in die neuen Bundesländer trollen wollte.


Sehr beeindruckend, Schluck Wasser, Foto, weiter. Leider gestaltete sich auch das letzte Stück Wegs in das gelobte und mir bis dahin nicht vertraute Vogtland etwas holprig, denn schon im bayrischen Vogtland versuchte man sich, wie im sächsischen und dem Erzgebirge auf das drohende letzte Maiwochenende mit allerlei Festveranstaltungen ein zu stimmen, indem man ganze Strassenzüge für Fremdlinge sperrte oder umgekehrt letztere durch Zwangsführung an der Bedeutungslosigkeit ihrer Ortschaften teilhaben zu lassen.
Ein Marsmensch hätte an diesem Wochenende nach Hause telefoniert:
"Alle Orte des Vogtlandes weisen Wege in noch so kleine Winkel ihrer Heimat umfangreich und mit Entfernungsangaben aus. Gleichzeitig weisen in jedem Ort einige Schilder in die Hauptstadt der Region. Sie heisst Umleitung."
Egal, Adorf oder Behausen, ich war da und fand ungewollt meinen ursprünglich gewünschten Pfad wieder, den Schildern oder meiner inneren Stimme folgend. Es war inzwischen nach 16 Uhr und ich fuhr. Acht Stunden schon.
Ich hielt auch nicht mehr, jedenfalls nicht um Fotos zu machen. Ich tauchte in eine sehr beeindruckende Landschaft ein über Strassen, halbhoch an langen Hängen entlang, an denen die Waldlandschaften dreifach gigantisch anmuteten, unterbrochen von Tälern und Auen, in deren Mitte gemeinerweise meist keine Wegkreuze lagen, sondern Gabelungen. Die Weisheit "im Zweifelsfall geradeaus" konnte also oft bei der Entscheidungsfindung nicht bei gezogen werden. So fand ich vielleicht nicht den kürzesten aber den richtigen und den schönsten Weg zu meinem In-Etwa-Tagesziel: Tannenbergthal.
In Zwota/Oberzwota bei Klingenthal an der tschechischen Grenze gab es ein Bikerhotel mitten im Wald. Ein Rat-Trike stand draussen auf ein Podest gestellt Marke etwa "Guzzi Erculo", kann aber auch was russisches gewesen sein. Aber es war viel zu früh um zu halten und gerade die Zeit nach Feierabend bringt diese faszinierende Ruhe in die fast menschenleere Landschaft, immer wieder aufgelockert von Villen aus der Gründerzeit, die denkmalhaft neben Steinbrüchen und Sägereien posierten. Also fuhr ich, hielt in Stadtmitte Oberzwota, wo ein junges Moppedpärchen mir das Restaurant/Hotel empfahl, in dem man für 22€ visavis der städtischen Teichanlage mit Minigolfplatz nächtigen konnte. Nix da, weiter gings. Bisweilen durch neckisch herausgeputzte Ortschaften, Talsperre Eibenstock, an der sich ungewöhnlich anonyme aber ebenso neckisch herausgeputzte "Biker" aus München und Dresden gegenseitig die Vorfahrt nahmen.
Aue heisst der nächst grössere Ort, in dem ich dachte nach Unterkunft fragen zu können. Ich nahm einen Espresso und ein Wasser in einer sächsisch geführten italienischen Eisdiele. Man riet mir ab in dem Ort zu bleiben.
Stattdessen eröffnete man mir die Möglichkeit, bis spät abends in einer Bikerpension in Zwönitz unter zu kommen oder in zahlreichen kleinen Gasthäusern am Wege, denn nun befände ich mich im Erzgebirge und man lebe doch vom Bikertourismus. Leider war der direkte Weg, man ahnt es schon, wegen Umleitung gesperrt und ich hatte mein erstes Ziel ab jetzt über die Stadt Stollberg an zu fahren.
Nuja, macht ja nüscht, wahr?
Einigermassen entnervt fand ich mein Ziel. Weniger wegen der konzentrierten Fahrerei als mehr wegen des Umstandes, dass wegen des drohenden Wochenendes alle Gasthäuser Donnerstag Ruhetag hatten.
Nuglar! Hior, dö!
Ok, ok, ich fand noch was. Ratskeller in Thum, fünfter Versuch, es war schon acht. Eigentlich viel zu früh. Aber im Kreis herumfahren mochte ich auch nicht mehr, elfeinhalb Stunden, 550km Landstrasse, mir tat der Hintern weh. Also "Feuersteins Reisen", ähnlich misanthropische Grundhaltung, dafür darf ich alleine reisen.
2. Tag